15 Gründe für die Teilnahme am Städtebau-Förderprogramm "Soziale Stadt"
Januar 2017
Eine Welle der Ablehnung ist dem Beschluss des Stadtrates, das Städtebauförderprogramm Soziale Stadt auch in Erkrath zu etablieren, entgegengebrandet. In der öffentlichen Darstellung wurde das Thema oft auf ein „Entweder Feuerwehr oder Soziale Stadt (Sandheide)“ bzw. „Soziale Stadt führt uns in den Nothaushalt“ reduziert, besonders in den nicht-immer-sozialen Medien entstand eine Stimmung, in der die differenzierte und komplexe Argumentation kein Gehör finden konnte.
Diese Ablehnung fußt auf den abschlägigen Kommentaren der Verwaltung, allerdings werden die gutachterlichen Teile dabei meist ignoriert. Teile der Verwaltung hatten schon von Anfang an das Programm nicht gewollt. Und bereits am ersten Tag seines Amtsantrittes wurde Bürgermeister Schultz eine Vorlage vorgelegt und diese auch von ihm unterzeichnet, welche der Politik die Ablehnung empfahl. Man begründet das Nein mit der Überlastung der Verwaltung und droht mit Verzögerungen beim Bau der Feuerwehrhauptwache und des Gerätehauses Alt-Erkrath, sowie mit der schlechten Situation des Haushaltes.
Allerdings hat jeder bislang im Verfahren gegangene Schritt deutlich gemacht, welche Vorteile Erkrath durch dieses Förderprogramm haben kann.
Daher meine 15 Punkte pro Soziale Stadt.
1. Sobald Erkrath im Projekt Soziale Stadt aufgenommen ist, kann die Stadt bei vielen Projekten auf Fördergelder von Bund und Land setzen. In den jüngsten Gesprächen mit den Fördermittelgebern wurde sogar deutlich, dass selbst der Neubau der Feuerwehrhauptwache bezuschusst werden kann, wenn auch dieses Gelände mit in das Programmgebiet aufgenommen wird. Bei aktuell prognostizierten 20 Millionen Euro Kosten zählt jede Million, die Erkrath nicht selber aufbringen muss. Schon dieses Beispiel zeigt, dass das Programm Soziale Stadt bzw. vergleichbare Programme wie der Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“ weniger Risiko, sondern vielmehr Chance für den Erkrather Haushalt darstellen. Im Investitionspakt werden bis zu 90% der Bau- und Planungskosten während der Programmlaufzeit von 2017 bis 2020 gefördert.
2. Es zeigt sich auch, dass viele Förderprogramme von EU, Bund und Land immer mehr darauf achten, ob sich eine Stadt in einem Städtebauförderprogramm befindet. Auch hier bringt Soziale Stadt der gesamten Stadt mehr Einnahmen bzw. weniger Ausgaben.
Und das gilt ebenso für die Sozialverbände, die so (mehr) Fördergelder erhalten können, was ebenso unseren Haushalt z.T. entlastet.
3. Der Stadtrat hat den Eintritt in das Programm beschlossen, jedoch nicht schon die Umsetzung der angedachten Projekte. Das Programm erstreckt sich über 10 Jahre und alle Einzelprojekte werden stets gesondert auf Machbarkeit und Finanzierbarkeit überprüft. Das relativiert die aufgebaute Drohkulisse von enormen Kosten und Undurchführbarkeit klar.
4. Viele Bürger hat verständlicherweise aufgebracht, dass sich durch Soziale Stadt der Bau der Feuerwehrgebäude verzögern könnte. Hier muss aber entgegengehalten werden, dass der Stadtrat die Priorität weiterhin auf die Feuerwehr-Planungen gelegt hat. Dass die Arbeitsbedingungen für alle Feuerwehrleute untragbar sind, ist unstrittig. Auch deswegen hatten wir uns immer für den vom Gutachter als gut möglich beschriebenen Neubau der Hauptwache am alten Standort mit einem Ausweichen für die Bauzeit auf benachbarte Gebäude und Flächen ausgesprochen, hier wären wir heute mit den Planungen weiter.
5. Die Bauverwaltung moniert, dass sie sich nicht in der Lage sieht, beides gleichzeitig zu schaffen. Um dieses bewerten zu können, sei hier nur die Aussage des Technischen Beigeordneten erwähnt, nach der der erste Stein für die Hauptwache erst 2020 bewegt werden wird. In diesem großen Zeitfenster muss neben der Feuerwehr-Planung auch Platz für einzelne Projekte aus dem Programm Soziale Stadt sein. Und dass Anwohner aufgrund von Lärmschutzklagen das Ganze auch noch weiter verzögern können, will ich hier gar nicht näher ausführen.
Eine Organisationsuntersuchung des betreffenden Fachbereiches hat schon vor Jahren aufgezeigt, dass dort im Vergleich zu anderen Städten die Personalsituation nicht schlechter ist, aber die Arbeitsorganisation verbesserungswürdig ist. Hier ist die Verwaltung und als ihr Leiter der Bürgermeister gefordert, u.a. die Abläufe effizienter zu gestalten.
2016 hat der Stadtrat seinen Teil geleistet, indem er die Gelder für die Schaffung einer neuen Stelle dort genehmigt hat, welche noch zu besetzen ist.
Vieles ist in der Diskussion über Vertrauen gesagt worden, ich vertraue darauf, dass Bürgermeister und Verwaltung dies schaffen können.
6. Ein großer Vorwurf gegen Soziale Stadt ist zudem, dass dieses Programm uns in den Nothaushalt führen könnte. Das Problem der schlechten Finanzlage beschäftigt mich auch seit Jahren, ich komme aber zu dem Schluss, dass das Programm den Haushalt nicht mehr gefährdet, als dies auch durch alle anderen zu finanzierenden Projekte geschieht. Hat man das Ganze im Blick, muss man richtigerweise auch darauf hinweisen, dass schon alleine durch aktuelle Gesetzesänderungen des Bundes (Unterhaltsvorschussgesetz), durch den auch weiter dringend notwendigen und gesetzlich vorgeschriebenen Ausbau der Kindertagesbetreuung, sowie sogar durch die Feuerwehrneubauten aufgrund von mittelfristig deutlich höheren Abschreibungen eine Haushaltssicherung auf uns zu kommt, wenn die Finanzlage schlecht bleibt. Dieses nur auf Soziale Stadt zu schieben, blendet das Ganze, alle anderen Zusammenhänge aus.
Die Haushaltssicherung ist nicht gewollt und würde die Handlungsfähigkeit einschränken, allerdings gäbe es auch einen kleinen Lichtblick, die Fördersummen würden steigen.
7. Seit langem ist der Neubau der Grundschule Sandheide beschlossen. Zwar fallen hier im Programm Soziale Stadt die Fördergelder weniger üppig aus, aber dennoch gibt es Zuschüsse für den Neubau der Turnhalle, den Abriss der Gebäude, den neuen Schulhof und für quartiersfunktionale Räume. Ohne Soziale Stadt müsste Erkrath alles alleine bezahlen.
Beantragt man den Investitionspakt „Soziale Integration im Quartier“, ist sogar die Förderung des Schulneubaus drin.
8. Gleiches gilt für eine energetische Sanierung der Kita Gretenberg und einen Neubau einer Kita in Sandheide. Erkrath kann aufgrund von gestiegener Kinderzahl den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung nicht (mehr) erfüllen, die Anmeldezahlen für 2017/18 zeigen, dass Erkrath 225 Kita- bzw. Tagespflegeplätze zu wenig hat und ein Ausbau dringlich ist. Auch hier würde das, was sowieso ansteht und ansonsten komplett alleine aus der Erkrather Stadtkasse zu finanzieren wäre, durch den Investitionspakt wesentlich gefördert.
9. Ein erstes Projekt im Rahmen Soziale Stadt ist bereits in der Pipeline, verschiedene Verbände und Vereine planen in Alt-Hochdahl das sogenannte „Forum“, in dem u.a. das Sozialkaufhaus „Rundum“ des SKFM, die Tafel und die „Werkstatt“ einziehen sollen. Da es sich um eine leerstehende Immobilie handelt, fällt der Aufwand für die Verwaltung auch gering aus. Der Eigenanteil der Stadt beläuft sich auf 9%. Zudem hat die katholische Kirche für den Umbau 1 Million Euro zugesagt, auch ein positiver Nebeneffekt: Zuschüsse Dritter.
10. Das „Forum“ stellt auch für andere schon lange vorgesehene Bauprojekte die Weichen. So kann an der Schmiedestraße durch Auszug der Tafel das Gelände der alten Realschule überplant werden. Die BmU unterstützt hier das Projekt, das alte Gebäude zu 10-14 seniorengerechten Wohnungen umzubauen. Ziel der aus der Bürgerschaft initiierten Stiftung wäre, dass dadurch Häuser für junge Familien frei würden. Und auch das weitere Gelände kann dann im Sinne des Stadtentwicklungskonzeptes genutzt werden.
11. Durch den Umzug des Sozialkaufhauses des SKFM ins „Forum“ ergibt sich dann des Weiteren die Möglichkeit, die Brache am Wimmersberg in Alt-Erkrath für Wohnungsbau und für Gewerbeansiedlungen zu nutzen.
12. Man sieht, dass es auch nicht nur um die Förderung eines einzigen Stadtteils, der Sandheide, geht, wie oft zu hören war. Das Gebiet der Sozialen Stadt ist umfangreicher und den Nutzen haben die Bürger der gesamten Stadt, durch allgemeine Angebote und durch einen entlasteten Haushalt.
13. Einen weiteren Gewinn haben die vermietenden Wohnungsbaugesellschaften in der Sandheide, in der Schildsheide, am Stadtweiher und evtl. in noch weiteren Gebieten. Das Programm Soziale Stadt gibt hier den Gesellschaften Fördergelder für die Umgestaltung von Außenanlagen sowie für die Fassadensanierung. Dieser Anreiz hat schon andernorts viele Vermieter dazu gebracht, in eine Sanierung zu investieren. Bei vielen Häusern ist diese energetisch und optisch notwendig. Und die Stadt selber muss hierbei planerisch und finanziell übrigens überhaupt nichts tun. Der positive Effekt aber würde auf die ganze Stadt ausstrahlen.
14. Mehrere Projekte aus dem Stadtentwicklungskonzept lassen sich über Soziale Stadt angehen. Dass Erkrath sich überhaupt am Städtebauförderprojekt Soziale Stadt beteiligen kann, liegt im Übrigen daran, dass Erkrath ein Stadtentwicklungskonzept erstellt hat, das durch die BmU initiiert worden war.
15. Viele Städte haben bereits vorgemacht, dass Soziale Stadt und andere Städtebauförderprojekte einen Nutzen für die Städte und ihre Bürger bringen und selbst bei deutlich kleineren Verwaltungen umgesetzt werden konnten. Und auch der Austausch in dem Netzwerk der beteiligten Städte wird einen weiteren Ertrag für Erkrath bringen.
Aus diesen Gründen habe ich mich als Ratsmitglied zusammen mit meinen BmU-Fraktionskollegen nach langen Beratungen auch für den Einstieg in das Programm Soziale Stadt ausgesprochen. Ich habe Verständnis für die Sorgen der Gegenseite, sehe aber mehr Vorteile.
Jetzt ist es an der Zeit, dass der Austausch der Meinungen wieder fair und sachlich erfolgt, das mit Entscheidungen respektvoll umgegangen wird, ganz im Sinne der Neujahrsansprache von C. Schultz „Wir alle sind Erkrath“.
Erfreulich auch, dass Bürgermeister Schultz angesichts der für Erkrath finanziell sehr interessanten Förderbedingungen mittlerweile die volle Unterstützung der Verwaltung zusagt.
Das bestätigt die Haltung der BmU, die im Dezember noch massiv attackiert worden war.
Christian Ritt