04.11.2011: L403n-Durchstich Berg. Allee – Prof. Sudhoff Str.
Oder: wie lange schon die Hauptstraße Trauer trägt
Aus Anlass der offiziellen Eröffnung im Dezember 2011 ist diese unendliche Geschichte missglückter Erkrather Planungspolitik mal wieder Thema. Allerdings wird dabei zu oft nur der Konflikt Kläger (Weinbusch) und Opfer (Hauptstraße u.a.) stilisiert und gerne vergessen, dass eine vernünftige Planungspolitik durchaus die Interessen beider Seiten (Lärmschutz) hätte befriedigen können.
Die "Deckellösung"
Im Landschaftsverband und im Land haben die Politiker die Dringlichkeit und Schärfe des Problems nicht richtig eingeschätzt. Hätte der Rat der Stadt Erkrath dem Antrag der BmU, eine überzeugende Kostenschätzung der Deckellösung 1999 zu finanzieren stattgegeben, dann wäre der wesentlichste juristische Streitpunkt, die Abwägung sei in diesem Punkt fehlerhaft gewesen, schon vor Jahren fortgefallen.
Fatal ist, dass mehr formaljuristische Aspekte im Verfahrensstreit zum dritten Planfeststellungsverfahren im Vordergrund des Streites standen, anstatt sachliche Aspekte gegeneinander abzuwägen und zu einer pragmatischen Lösung zu kommen.
Zu beklagen ist weiterhin, dass keine Planungsunterlagen und Kostenkalkulationen als Grundlage der Behauptung, der Tunnel würde 8 MIO DM mehr kosten, vorgelegt wurden. Die Tunnellösung also gar nicht ausreichend abgewogen wurde. Demgegenüber erklärte eine renomierte Tiefbaufirma (Köster-Bau 02.08.2001) der Straßenbau mit Deckel sei wenig teurer als ohne. Allein die Kostensteigerung von 14 Mio € auf 17,5 Mio € übersteigt diesen fiktiven Betrag.
Mit der Deckellösung wäre auch der Klagegrund weggefallen, die L403n wäre (wahrscheinlich) schon längst in Betrieb.
Einige Aspekte aus den zu verhandelnden Gründen der Siedlergemeinschaft Weinbusch pro Tunnel:
- Vorteile eines geringeren Landverbrauchs,
- geringerer Enteignungen,
- geringerer Lärm- und Schadstoffbelastungen,
- geringerer Zerschneidung,
- besserer städtebaulicher Aspekte,
- einer Verminderung der Gefährdung durch den offenen Trog
- Vermeidung einer Wohnwertminderung.
Auch den von dem Umweg über Schimmelbuschstraße - Hauptstraße betroffenen Bürgern ist nicht zu erklären, warum nach über 30 jähriger Planung, 16 Jahre nachdem durch die S-Bahn der Übergang Hildener Str. fast nicht mehr zur Verfügung steht, keine schnellere Lösung für die Fortführung der Bergischen Allee (= L 403) gefunden wurde.
Die nachfolgende Zusammenstellung ist weniger eine Erklärung als eine Dokumentation völlig absurder zeitlicher Abläufe und des Versagens, in vernünftigem zeitlichem Rahmen Erkrather Interessen beim Land durchzusetzen und eine saubere, unanfechtbare Planung zu bekommen.
Eine unendliche Geschichte:
Erste konkretere Planungen gehen auf die Untersuchungen von Professor Fiedler 1970 zurück (seit den 50er Jahren wird über eine Neutrassierung der L 403 gesprochen).
- Dezember 1970 beschließt der Rat der Stadt Hochdahl die Verlegung der L 403 n an die Autobahn A 3 (= Westtangente).
- 1975 der Flächennutzungsplan sieht die L 403 einerseits als innerstädtische Erschließungsstraße, andererseits als Parallelstraße entlang der Autobahn vor. Mit Schreiben vom 5.12.1977 legen verschiedene Bürgergruppen, u.a. der Bürgerverein Einspruch gegen die Führung der L 403 n ein und fordern die Führung komplett entlang der Autobahn.
- 03.10.1977 Trassenplanung der „Nord-Süd-Straße“ wird im Planungs- und Verkehrsausschuss vorgestellt. Fertigstellung der Gesamttrasse 1985.
- Ein Linienbestimmungsverfahren ist der Trassenplanung mitten durch das Wohngebiet zwischen Bergischer Allee und Prof.-Sudhoff-Straße nicht vorangegangen, auch nicht bei der Planung der Bergischen Allee.
- Der Bürgerverein legt erneut die Westtangente als Lösung vor.
- 1980 Erstes Planfeststellungsverfahren.
- 09.03.1981: Mehrere Bürgergruppen erheben Einspruch gegen das Planfeststellungsverfahren der DB Ost-West-S-Bahn. Am 24.03.1981 wird die Unterführung der Hüttenstraße gefordert.
- Erörderungstermin der Planung am 07.10.1981: Die Forderung nach Unterführung der Hüttenstraße wird abgelehnt.
- 25.11.1982 Pressemitteilung des Landschaftsverbandes Rheinland: Ausbauplanung L 403 n von Kemperdick bis Neanderhöhe: 4 spurig mit Rad- und Gehwegen. Kosten 31,4 Mio DM.
- Die Trasse der L 403 als Bergische Allee wurde in den 80er Jahren auf Grund von drei Bebauungsplänen (Kemperdick Süd, Kemperdick Nord, Böllenschmidt) gebaut, wobei letzterer in der Normenkontrolle für ungültig erklärt wurde (OVG Münster lOa NE 25/89, Nichtzulassung BVerwG 4 NB 22.92). Es folgte eine Planfeststellung von der Bruchhauser Straße bis zur Röntgenstraße.
- Offenlage 1983 endet mit einer Änderung und der Eröffnung de szweiten Planfeststellungsverfahrens.
- Am 04.11.1983 wird der Planfeststellungsbeschluss 71 N 10 – Nvt/S 2550 – 8 ohne Tunnellösung – Fortführung der L 403 = Bergische Allee) von der DB beschlossen und verkündet.
- Mit Schreiben vom 09.12.1985 legen verschiedene Bürgergruppen Einspruch gegen den Planfeststellungsbeschluss ein.
- Am 31.03.1987 hat der Regierungspräsident Düsseldorf ein Anhörungsverfahren zu den abgegebenen Stellungnahmen in der Verwaltungsstelle Hochdahl durchgeführt.
- Das Verfahren endet mit dem Planfeststellungsbeschluss am 14.01.1988 ohne Tunnel. Die Bürger im Bereich der Hüttenstraße / Weinbusch, durch deren Siedlung die neue Straße schneiden soll, lehnen das Projekt ohne weitergehenden Lärmschutz ab. Sie strengen eine Anfechtungsklage an. Der Landschaftsverband hat der Stadt Erkrath gegenüber erklärt, Mehrkosten durch Tunnellösungen müsse die Stadt selber tragen.
- Im Mai 1988 wurde auf der Strecke Mönchengladbach – Hagen, die auch durch das Erkrather Stadtgebiet führt, der S-Bahn-Betrieb aufgenommen. Von der Schimmelbuschstraße ist im Verlauf der Hauptstraße eine Unterführung unter der S-Bahnlinie gebaut und Ende 1988 fertiggestellt worden, so dass nun eine neue Nord-Süd-Verbindung besteht. Damit entfiel zunächst die Querungsmöglichkeit der Bahn an der Hildener Straße.
- Der höhengleiche Bahnübergang an der Hildener Straße ist nach Fertigstellung der Unterführung an der Hauptstraße 1988 geschlossen worden.
- Ein Petitionsverfahren des Landtages mit Sitzung am 07.12.1989 bleibt ohne Erfolg.
- Mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf – Verfahren 16 K 664/88 vom 20.12.1989 wird der Planfeststellungsbeschluss wieder aufgehoben.
- Am 28.03.1990 beschließt der Planungs- und Verkehrsausschuß des Rates der Stadt Erkrath: Die Tunnellösung ist anzuhalten. Die BmU-Fraktion beantragt zusätzlich: Freigabe des Bahnüberganges Hildener Straße nur in Richtung Süden. Ein neues Planfeststellungsverfahren beginnt am 31.08.1995 durch den Landschaftsverband.
- 1995 viertes Planfeststellungsverfahren.
- Ende 1995 beschließt der Rat der Stadt Erkrath, er würde eine Tunnellösung begrüßen.
- Die BmU-Fraktion beantragt mit Datum vom 31.10.1995: “Beim Straßenbaulastträger ist anzuregen, dass die L 403 vor der Überführung Hüttenstr. Bis zu einem geeigneten Punkt vor dem Bahndamm aus Gründen des Emmisssionsschutzes und des Städtebildes überdacht (“Deckellösung”, Variante D) wird. ...
- Am 14.02.1997 kritisiert die CDU in einem Antrag die “Zeitverzögerung” durch den Auftrag des Rates, die Tunnellösung gesamtwirtschaftlich zu überprüfen. Die Stadtverwaltung plädiert dafür, dass die Stadt Erkrath die Forderung nach einem Deckel auf der Straße aufgibt. Die BmU beantragt, die Kosten der Tunnellösung auf städtische Kosten ermitteln zu lassen. Der Antrag wird abgelehnt.
- 15Juli 1998 Lokalanzeiger: "In der Beratung des Umweltausschusses sagen Peter Knitsch und Bernhard Osterwind (BmU) voraus, bei endgültiger Ablehnung des Tunnels werde es gerichtliche Klagen von Bürgern und weitere Verzögerungen geben."
- Im Januar 1999 kündigt der Landschaftsverband im UWA an, der Planfeststellungsbeschluss werde im Mai gefällt. "Die L 403 hat in Düsseldorf keine Priorität" so die WZ vom 28.01.1999.
- Im Mai kündigt der Landschaftsverband an, der Planfeststellungsbeschluß werde in der zweiten Jahreshälfte gefällt.
- Am 08.06.1999 berät der Umweltausschuß auf Antrag der Grünen das Thema. Es wird versprochen, dass der Landschaftsverband bei Gericht den Antrag auf Sofortvollzug des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses wegen schwerer Unfälle auf der Schimmelbuschstraße (hier war mehrfach die Ampelanlage ausgefallen) stellt. Diese Versprechen wird nicht eingehalten.
- Am 26.08.1999 beschließt der Stadtrat von Erkrath eine Resolution zum Weiterbau der L 403. Der Alternativantrag der BmU-Fraktion, nicht nur eine Beschleunigung des Verfahrens sondern zusätzlich die “Deckellösung” zu fordern, um den Klagegrund zu beseitigen stimmen die Erkrather Parteien nicht zu.
- Planfeststellungsbeschluss des Landschaftsverbandes Rheinland (51.2 1-642-86-2-403(85)-Ki .-) vom 29.Dezember 1999 über den Neubau der L 403 von Bau-Kilometer 11+970 Schimmelbuschstraße (L 357) bis Bau-Kilometer 12+872, 973 Neanderhöhe mit Beseitigung des Bahnübergangs der L 403/Hildener Straße in Erkrath-Hochdahl. Auch dieser wird rechtlich angegriffen.
- Mai 2000 Kreuzungsvereinbarung.
- Im Dezember 2003 wird durch Urteil des Verwaltungsgerichtes das Planfeststellungsverfahren bestätigt.
- Gegen die Nichtzulassung der Revision wehren sich die Kläger in einem Anfechtungsverfahren, der Nichtzulassungsbeschwerde erfolglos.
- Juni 2004 Finanzierungsvereinbarung: 14 Mio. €. Bund gibt Zusage nur für abgespeckte Version unter pauschaler Kürzung um 4 Mio. €. Dadurch erfolgt der Verzicht auf zweiten Rad- u. Gehweg sowie gepflasterte Busbuchten.
- Juli 2004 Umweltausschuss Baubeginn Ende 2005, Fertigstellung Ende 2007.
- 2004/2005: Das Planfeststellungsverfahren läuft.
- 25. Januar 2005 PLUV: Baubeginn Herbst 2005 angekündigt.
- NRZ 7.4.2005: Im Herbst rollen die Bagger.
- 25.11.2005 wird bekannt: die eingeplanten Gelder sind anderweitig im Land verbaut worden. Während des Prozesses hieß es immer: es kann nach einem Urteil (2003!) sofort gebaut werden.
- Dezember 2005: Rat appelliert an Landtag, das Geld bereitzustellen.
- Januar 2006 RP kündigt Baubeginn im Jahr 2006 an.
- 20.11.2006 Baubeginn.
- März 2007: vorhandener Lärmschutzwall am Schlackdamm wird abgetragen.
- Dezember 2007 Bergische Allee: Bäume werden ohne Absprache mit der Stadt gefällt.
- März 2008 Klage der BmU: Schienenersatzverkehr zwischen dem S-Bahnhof Gerresheim und Millrath funktionierte nicht. An den Bahnhöfen gab es keine Durchsagen. Die behinderten Fahrgäste hatten am Gerresheimer Bahnhof keine Möglichkeit, den Bahnhof zu verlassen, so dass sie gezwungenermaßen wieder nach Düsseldorf zurückfahren mussten. Zudem kannten einige Busfahrer die Strecke nicht, so dass die Fahrgäste ihnen diese während der Fahrt mitteilen mussten.
- Januar 2009: Fertigstellungstermin "Ende 2010/Anfang 2011" RP vom 28.01.2009.
- September 2009 Fertigstellung der zum Teil in lautlärmender Nachtarbeit (wer hat diesen Umfang eigentlich genehmigt?) hergestellten Bahnunterquerung. Danach fast ein Jahr Stillstand der Maßnahmen vor Ort.
- Oktober 2009 in WZ: Ende 2010 bis Anfang 2011 "wollen wir fertig sein". "Zweifel an diesem Zeitplan seien unberechtigt."
- Nov 2009 Vergebliche Resolution des Rates: lärmoptimierten Aspalt OPA einbauen.
- Juli 2010 Beginn Baustelleneinrichtung Straße. Bauschild "Wir bauen für Sie bis Ende 2010."
- Juni 2011: "Freigabe in zwei Monaten"
- August 2011: mysteriöse Kabel verhindern angeblich den Baufortschritt. Fertigstellung der Straße nun November 2011.
- September Fundamente des alten Bahnhofs von 1841 werden freigelegt.
- Kritisierte Baustellenabwicklung: Lange Staus werden immer wieder durch Baustellenampeln mit unzweckmäßiger Schaltung provoziert.
- 06.12.2011 14:00 Uhr Einladung für Journalisten: Freigabe der L403n in Erkrath-Hochdahl Kosten: 17,5 Mio. € lt. Straßen NRW