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April 2013: BmU nimmt zur Gesamtschuldebatte Stellung

Thema Gesamtschule: Elternwille interessiert nicht

Als durchaus überzeugter Gesamtschullehrer muss ich die Begründung pro Gesamtschule im WZ-Artikel (09.04.2013) und in der wz-newsline-Umfrage: "weil auf einer Gesamtschule ein Kind weniger Druck hat", als - schief - kritisieren. Aufgrund meiner Berufserfahrung an einem Gymnasium und zwei Gesamtschulen kann ich sagen, dass auch an einer Gesamtschule "Druck" herrscht, nämlich dann, wenn die Schüler höher qualifizierte Abschlüsse erreichen möchten und dafür durch die zentralen Abschlussprüfungen der 10 oder des Abiturs müssen. Ohne "Druck" gibt es auch an der Gesamtschule keinen Abschluss wie FOR (Mittlere Reife) oder Abitur.

Es gibt sicher bessere Gründe pro Gesamtschule. Man könnte über die Vorteile der 9-jährigen Schullaufbahn (G9) zum Abitur sprechen. Darüber, dass "Spätzünder", solche die auf der Grundschule noch nicht geglänzt hatten, sich hocharbeiten können. Oder, dass das gemeinsame Lernen besonders den Schwachen nutzt und den Guten (meist) nicht schadet.

Wobei man sich aber auch hier vor ideologischen Lobhudeleien der Gesamtschule in Acht nehmen sollte, auch andere Schulformen bieten heute einen Ganztagesbetrieb und deutsche Gesamtschulen sind nicht mit den erfolgreichen schwedischen oder finnischen vergleichbar (insbesondere was personelle und materielle Ausstattung angeht).

Betrachtet man konkret die Situation in Erkrath, würde die Einführung einer Gesamtschule nicht nur zur Schließung von Hauptschule und Realschule(n) führen (man siehe den Schulentwicklungsplan), auch eine Oberstufe eines Gymnasiums würde massiv in Frage gestellt und somit die gesamte Schule, obwohl beide Gymnasien überaus gute Anmeldezahlen aufweisen. Drei funktionierende Oberstufen sind mit den Erkrather Schülerzahlen unrealistisch. Außerdem kämen Unsummen auf die Stadt als Träger zu.

Momentan ist keine Schule im Bestand gefährdet und man kann in Erkrath alle Schulabschlüsse erwerben, selbst an der Hauptschule sind die mittlere Reife und die Qualifikation für die Oberstufe erreichbar.

Meines Erachtens spricht mehr dafür, in Politik, mit den Schulen und mit den Eltern mittelfristig über die Errichtung der Sekundarstufe ins Gespräch zu kommen, da abzusehen ist, dass immer weniger Eltern ihr Kind an der Hauptschule (trotz guter Arbeit dort) anmelden. Die Sekundarschule wäre vom System auch eine Gesamtschule, nur ohne Oberstufe. Nach der 10 könnten Schüler mit Qualifikation dann die 3-jährige Oberstufe eines Gymnasiums besuchen, das entspräche dann ebenso der vielleicht "entspannteren" G9-Laufbahn, der Übergang der Sekundarschüler in die Oberstufe des Gymnasiums wäre laut Schulgesetz gesichert. Und gebäudetechnisch wären die Grundlagen für die Sekundarschule weitgehend wohl auch vorhanden.

Die Meinung der Bürger, der Wille der Eltern soll dabei auch nicht ignoriert werden. Die von SPD und Grünen geforderte Elternbefragung zu einem baldigen Zeitpunkt birgt allerdings die Gefahr, dass in Erkrath der "Schulkrieg" unnötigerweise wieder ausbricht, den man im Land endlich beigelegt hatte. Auch wäre es unverantwortlich, die florierenden Gymnasien in Bedrängnis zu bringen und die städtischen Finanzen massiv zu belasten. Man sollte den Eltern nichts vorschlagen, was dann schulpolitisch und finanziell doch nicht sinnvoll ist. Und bevor die Eltern befragt werden, müssen diese auch eingehend informiert werden. Schaut man sich Befragungen anderer Städte an, so ist dies jedoch meist nicht der Fall. Oder die Politik biegt sich die Zahlen so, dass man wie in Solingen eine neue Gesamtschule beschließt, dann aber doch nicht genügend Anmeldungen für die Gründung eingehen. Mit der Einrichtung einer Sekundarschule war man dort übrigens erfolgreich.

Bleiben wir realistisch: Reden wir in Erkrath - ohne Ideologie - über die Sekundarschule, mit ausführlichen Informationen für die Eltern, mit einer Befragung darüber zum richtigen Zeitpunkt und mit dem Versuch, alle betroffenen Schulen mit ins Boot zu holen. Das würde Sinn machen und Grabenkämpfe hoffentlich vermeiden.

Christian Ritt
BmU-Fraktion